„Gott hat vieles geheilt“

Die vierfache alleinerziehende Mutter Jackie Katana führt eine Reinigungsfirma in Basel. Den Mut zum Gründen schöpfte sie auch aus ihrem Glauben.

Sie wischte Ecken aus, polierte Armaturen, putzte die Toilette: Nachdem Jackie Katana vier Stunden die Wohnung einer älteren Dame auf Vordermann gebracht hatte, schleppte sie sich nach Hause. „Das mach ich nie wieder“, schwor sie sich. Putzen ist ein Knochenjob. An die Rückenschmerzen erinnert sie sich heute noch. „Doch ich musste selbst putzen, um zu wissen, wie das Geschäft läuft“, sagt sie.

2014 gründete die 42-jährige Schweizerin mit kenianischen Wurzeln in Basel die Reinigungsfirma „Tidy and Clean“. In Spitzenzeiten beschäftigte sie bis zu zehn Mitarbeiterinnen – darunter Frauen mit Migrationshintergrund, alleinerziehende Mütter oder Frauen ohne Berufsausbildung. Ob Frühjahrsputz, Wohnungsübergaben oder Aufräumen nach Firmenfeiern: Zu ihren Kunden gehören Privatleute, Unternehmen und Kulturstätten wie Museen.

Gründung ohne Geld

„Tidy and Clean ist mein Herzschlag. Ich habe es wie ein Baby großgezogen“, sagt Jackie Katana. Aber es war kein einfaches Kind. Auf die Geschäftsidee brachten sie Kunden ihres früheren Arbeitsgebers. Für das Pharmaunternehmen Novartis unterstützte sie als Relocation Consultant Führungs- und Fachkräfte, die in die Schweiz einwanderten. Als Umzugsberaterin half sie ihnen drei Monate lang, kümmerte sich um Arbeitserlaubnisse, erklärte Kultur und Eigenheiten der Schweizer, half bei der Wohnungssuche und unterstützte bei Führerscheinbeantragung oder Kontoeröffnung. 

In dieser Zeit fragten Kunden immer wieder: „Hey Jackie, kennst du jemanden, der putzen kann?“ Sie war gut vernetzt in Basel und liebte es zu organisieren: Warum all das nicht miteinander verbinden?, dachte sie. „Typisch Jackie!“, lacht sie. „Wenn ich etwas auf dem Herzen habe, dann geh ich drauf los.“ Sie gründete ohne Startkapital. Putzmittel und Geräte mussten die Kunden anfangs selbst stellen. Ihre erste Reinigungskraft war eine Freundin. Katana übernahm die Geschäftsführung und kümmerte sich um die Akquise. Sie ließ Flyer und Visitenkarten drucken, schaltete eine Website und konnte auf die Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Kunden setzen. „Wir wurden überrannt mit Aufträgen.“ Mitarbeiter stellte sie je nach Auftragslage stundenweise ein.

Aus Fehlern gelernt

Zwar war die Jungunternehmerin motiviert und beharrlich, aber in den ersten Jahren machte sie aus unternehmerischer Unerfahrenheit auch viele Fehler. Hohe Mehrwertsteuernachzahlungen trieben sie fast in den Ruin. Die Buchhaltung legt sie heute in professionelle Hände und achtet stärker auf Rentabilität. Früher nahm sie manche Aufträge an, weil sie die Leute einfach mochte. Das leistet sie sich heute nicht mehr. 

Jackie Katana ist alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen im Alter zwischen sieben und 23 Jahren. Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, kostete sie schon im normalen Job viel Kraft. Als Unternehmerin laugte es sie zeitweise regelrecht aus. Nicht immer fand sie eine Kinderbetreuung. Bei Personalengpässen putzte sie manchmal selbst mit – einmal sogar hochschwanger. Sie hatte Schuldgefühle gegenüber ihren Kindern und Schlafstörungen. „Im ersten Jahr hatte ich ständig Angst, irgendetwas vergessen zu haben. Und das hab ich dann auch öfter“, erzählt sie.

Führung mit „Jesus-Strategie“

Wie gelang es ihr, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren? „Ich weiß nicht, ob ich da wirklich eine Strategie habe“, sagt sie. Sie habe nicht die „Power von mir selbst heraus“. Es sei Gott, der ihr jeden Tag die Kraft gebe. „Vielleicht habe ich eine Jesus-Strategie.“

In der Schweiz hat sie zum christlichen Glauben gefunden. Bei „Tidy and Clean“ erklärt sie Mitarbeitern direkt bei der Einstellung, welche Werte im Unternehmen gelebt werden sollen: Ehrlichkeit, Vertrauen, Transparenz, Verantwortungsbewusstsein. „Ich fokussiere mich im Leben und bei beruflichen Entscheidungen auf Jesus.“ Es inspiriere sie, wie er mit Menschen umgegangen sei. Der Glaube gibt ihr Kraft zum Durchhalten bei Durststrecken und schenkt ihr auch wieder Vertrauen in Menschen. 

Der Familie entrissen

Jackie wuchs in Ukunda auf, einem Küstenort etwa 30 Kilometer von Mombasa (Kenia) entfernt. Ihr Vater hatte ein Lädchen am Strand und verkaufte Souvenirs an Touristen. Eines Tages kam ein Mann aus der Schweiz zu ihm und fragte: „Kannst du mir eine Frau von hier vermitteln?“ Das könne er tun, entgegnete ihr Vater. Die Freundin seiner Frau sei zu haben. Aber dafür müsse er eines seiner fünf Kinder mit nach Europa nehmen. Die Mutter protestierte. Doch der Vater hatte das Sagen. Also stellten sich die Kinder vor dem Mann in einer Reihe auf. Die Wahl fiel auf das jüngste, die vierjährige Jackie. „Mein Vater meinte es sicherlich gut, als er mich in das reiche Land schickte. Er wollte eine bessere Zukunft für mich“, sagt sie heute. Doch diese Entscheidung kostete Jackie ihre Kindheit.

Eine echte Chance

In der Schweiz begann für sie eine leidensreiche Zeit. Jackie verstand nicht, warum sie fortgeschickt wurde. Sie hatte Heimweh und weinte viel. Auch die neue „Mutter“ kam in der Fremde nicht zurecht und suchte Trost im Alkohol. Sie konnte dem Mädchen nicht den Schutz und die Fürsorge geben, die es gebraucht hätte. „Ich war total entwurzelt“, erinnert sich Katana. In ihrer Ersatzfamilie erlebte sie häusliche Gewalt und wurde vernachlässigt. Eine Kindergärtnerin verständigte das Jugendamt. Das gab Jackie in die Obhut eines Kinderheimes. Dort wurde sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe gehänselt. Einziger Lichtblick waren die Wochenenden. Die Kindergärtnerin und deren Familie kümmerten sich dann um sie. Sie ermutigten sie später auch zu einer Bürolehre, für Jackie eine echte Chance auf eine bessere berufliche Zukunft. Vielleicht habe sie ihren Unternehmergeist von ihrem Vater, sagt sie. Er und ihre Mutter sind vor Jahren gestorben. Sie konnte sich nicht verabschieden. Im Rückblick sagte sie: „Gott hat all das Leid und die Rückschläge zum Guten in meinem Leben gewendet. Er hat vieles geheilt.“